INTERVIEW IN DER „PLASTIC BOMB“ Nummer 97, Winter 2016

INTERVIEW IN DER „PLASTIC BOMB“ Nummer 97, Winter 2016

Die Musik von FaulenzA verfolge ich schon recht lange. Angefixt hatte mich ne Freundin mit dem Song der autonomen Maus. Fauli lebte damals noch auf dem Wagenplatz in (Bochum)-LA, aber zog vor einigen Jahrn nach Berlin. Dank Fratzenbuch hatte ich trotzdem immer grob mitbekommen, was sie so gemacht hat, und habe sie zu ihrem neuen Album dann auch direkt wegen einem Interview angehauen. Sie Berlin, ich Ruhrpott, was liegt da näher als sich in Wien zu treffen. Stilecht natürlich in der Rosalila Villa, in der uns eine unfassbar verkaterte Denice empfing. Stellt euch einen lauen Sonntagabend im August vor, wir sitzen im Hof, im Hintergrund hört Ihr Grillen…here we go:

Lars: Die neue Platte ist ja eindeutig professioneller produziert. Wie unterschied sich für dich denn die Arbeit an der neuen Platte? War das anders?

F: Voll! Die ersten beiden CDs hab ich ja größtenteils ganz alleine mit so nem Handaufnahmegerät aufgenommen. Das hatte schon ne gute Qualität und ich konnte dann in Ruhe schön in meinem Bauwagen aufnehmen. Und jetzt hatte ich versucht alleine so Hip-Hop-Aufnahmen zu machen. Aber dann hab ich gemerkt, dass das viel schwieriger ist, dass sich das irgendwie schön anfühlt. Das is nur mit Gitarre und Gesang viel einfacher. Und dann hatte ich eben das Glück, dass das mit Springstoff geklappt hat und die mich dann auch unterstützt haben. Da hab ich letztes Jahr im Januar angefragt und das hat dann auch gleich geklappt. Und über die hab ich dann den Kontakt zu dem Produzenten LeijiONE gehabt, bei dem ich dann voll gute Aufnahmen machen konnte. Von dem sind auch die meisten Beats und der macht das total gut und mit total viel Herz und Engagement.

Lars: Das war also schon ganz anders von der Art aufzunehmen. Wie kam denn der Kontakt und „Wechsel“ zu Springstoff, wobei du ja vorher einfach alles selbst gemacht hast.

F: Genau. Vorher hab ich ohne Label gespielt und nur mit Vernetzung mit anderen Musiker*innen gearbeitet, durch diese Rotzfreche Asphaltkultur zum Beispiel, und ich wollte einfach ein Label haben wo ich Unterstützung bekomm und bessere Aufnahmen machen kann. Und Springstoff kannte ich durch Sookee, weil ich Sookee‘s Musik kannte und wusste dass die bei Springstoff ist. Und so war das das erste Label was ich angefragt habe. Ach nee, s t i m m t gar nich, früher hab ich mal bei Rilrec angefragt.

Lars: Hast du?

F: Jaja, is aber ewig her…

Lars: Kann ich mich schon gar nich mehr dran erinnern

F: Eigentlich war Rilrec das erste Label und Springstoff das zweite. Und dann hat das gleich geklappt und die meinten die hätten mich eh schon auf dem Schirm gehabt und dann kamen wir sofort zusammen.

Lars: Zur Platte: Du hast ja sehr schwere Themen und inhaltlich anstrengende Texte. Ist dir die Heiterkeit der autonomen Maus vergangen?

F: Nee, das würde ich gar nicht mal so sagen, also es kommen schon ernste Themen drin vor und eben auch so Diskriminisierungserfahrungen zum Beispiel, aber ich versuche das schon auch immer mit so ein bisschen Stärke und Witz zu erzählen. Auch wenn ich mit Augenzwinkern über bestimmte Situationen erzähle, wo ich dann eher drüber lache oder so. Also ich bemühe mich schon immer das nicht zu niederschmetternd zu machen, sondern eher dass mensch mit nem guten Gefühl irgendwie raus geht und mensch auch mal zusammen über irgendwas blödes lachen kann und Kraft schöpfen kann daraus. Ich glaube so n bisschen Galgenhumor ist da für mich ganz wichtig um mit solchen Sachen umzugehen. Und manche Themen, wie der Song in dem es um Suizid geht, sind eben dann auch ernste Themen die ich aber auch voll wichtig finde und wo dann eben nicht jeder Text lustig ist.
Aber ich hoffe dass ich das eben trotzdem sensibel rüber gebracht hab, die Themen.

Lars: Du sprichst ja davon wie wichtig sichere Räume sind, kritisierst aber gleichzeitig auch, dass diese oft von CisFrauen dominiert werden und wie Cis-Frauen in diesen Räumen handeln. Wie denkst du, kann Mensch da besser handeln? Ja, ich dachte dabei viel an feministische Räume wo ich mich auch nach meinem Coming Out nich so richtig rein getraut hab. Also auch so FrauenLesbenTransInter-Räume, weil ich immer so das Gefühl hatte ich werd doof angekuckt, die Leute würden denken ich wäre eigentlich ein Mann, sehen mich dann mit Skekpsis oder ignorieren mich oder so. Und da finde ich es wichtig sich mit Transmysogynie auseinander zu setzen. Das ist ein Wort, das beschreibt die Diskriminierung von Trans-Frauen. Und sich damit eben auseinander zu setzen und auch andere Leute aufklären und mit anderen Leuten reden, wenn die Merken dass da Transfrauen
ausgeschlossen oder diskriminiert werden. Und wenn so ein Raum ein FLTI*-Raum oder ein Frauenraum ist, dass das zwar deutlich gemacht wird, aber dass dann nicht Leute
angesprochen werden, nur weil sie nicht in ihr Bild von Frauen passen und weil sie falsch gelesen werden. Also das passiert vielen Transfrauen, aber auch Transmännern, dass sie angesprochen werden „Ey, du bist doch ein Mann, das hier ist ein FLTI-Raum…“ oder so. Ich glaube viel mehr Vorsicht und Achtsamkeit was Trans-Themen angeht fände ich
da wichtig.

Lars: …sich Leute also nicht für Ihre Anwesenheit
rechtfertigen müssen?

F: Ja, wenn einfach deutlich gemacht wird Das ist ein FLTI*-Raum, dann, denke ich, muss mensch einfach darauf vertrauen, dass alle damit umgehen und das dann eben wissen
und eben kommen, wenn die sich davon angesprochen fühlen. Oder mensch sagt ALLEN nochmal an der Türe „Hallo, das ist ein FLTI*- Raum und wenn du dich damit identifizierst
bist du sehr willkommen, oder so. Das muss dann aber auch allen gesagt werden, und nicht nur denen die irgendwie nicht in das Bild passen.

Lars: Du machst Workshops zu Selbstverteidigung/Selbstbehauptung und gegen Transmysogynie, also explizit den Hass gegen Transfrauen. Magst du dazu was erzählen?

F: Ja, genau. Also zu diesem Selbstverteidigungsworkshop: Das war für mich ein wichtiges Thema, weil ich früher als Jugendliche viel mit Mobbing zu tun hatte, also auch in
der Schule viel gemobbt wurde. Und das war dann total wichtig für mich mit Selbstverteidigungstraining anzufangen, weil ich gemerkt habe, dass ich alleine dadurch, dass ich wusste
ich kann mich theoretisch irgendwie wehren, viel selbstbewusster wurde. Und aus dieser Erfahrung heraus mache ich das eben, und hoffe, dass ich davon so n bisschen was
weiter geben kann, dass Leute ein bisschen selbstbewusster durch die Straße gehen können. Und zum TransmysogynieWorkshop: Da versuche ich zu erklären, was es für unterschiedliche Diskriminierungen von Transfrauen gibt und habe dann auch speziell einen Blick auf die feministische Szene und gucke wie da Transfrauen auf unterschiedliche Weise ausgeschlossen werden.

Lars: Die Transmysogynie-Workshops richten sich also eher an Cis-Leute die auf die Problematik sensibilisiert werden sollen?

F: Ja, es ist schon so, dass ich damit Menschen erreichen möchte, die nicht negativ von Transmysogynie betroffen sind, also z.B. Cis-Menschen, oder Trans-männliche Personen.
Dass die sich eben damit auseinander setzen und Anregungen bekommen wie sie da unterstützen oder vielleicht sensibler sein können, aber es sind auch oft transweibliche
Personen da, die dann auch noch total hilfreiche Anregungen geben oder wir auch einfach Erfahrungen austauschen können.

Lars: Wie schätzt du das ein: Ist der Hass gegen Trans-Personen in den letzten Jahren stärker geworden – Mensch liest ja erschreckend viel – oder ist es eher so, dass
es stärker thematisiert und kommuniziert wird und vorher wurde es unter den Teppich gekehrt?

F: Hmm…ich könnte mir schon eher vorstellen, dass es etwas mehr Medienaufmerksamkeit in den letzten Jahre gibt. So vom Bauchgefühl her gesagt. Und sonst kann ich es ja
nur von mir selber sagen, dass ich es früher noch schwerer hatte als ich eben auch noch weniger gutes Passing hatte, und je mehr ich jetzt eben als cis-Frau gelesen werde um
so weniger werde ich aggressiv angemacht auf der Straße oder so … Ich werde leider auch nicht immer auf der Straße als cis-Frau wahrgenommen, aber eben öfter als früher.
Aber das beantwortet ja jetzt nicht direkt deine Frage.

Lars: Dazu passend: Erkläre doch mal unseren Leser*innen den Begriff „Passing“:

F: Oh ja: Das ist ein schwieriger Begriff. der kommt, glaube ich, aus dem englischen und bedeutet „durchgehen als“, und der wird so benutzt: Wenn ich jetzt als Transfrau raus
gehe und Leute erkennen, dass ich eine Frau bin, und denken, dass ich eine Cis-Frau bin, dann sage ich: „ich habe Passing“, oder „ich passe als Frau“. Und wenn ich jetzt als Transfrau
raus gehe und Leute sprechen mich an „Entschuldigung, junger Mann…“ oder „Ey du scheiß Transe“, dann sage ich: „Scheiße, ich hatte grade kein Passing“. Der Begriff wird
aber auch von vielen kritisch gesehen, weil der eigentlich nur so richtig in einer Zweigeschlechtlichkeit greift. Für nicht binäre Tanspersonen, also Personen, die sich weder
als Mann noch als Frau definieren ist dieses Konzept schwierig. Die können dann eben weder als Mann noch als Frau Passing haben. Manche Menschen sagen stattdessen lieber
sowas wie „Ich werde gelesen als…“

Lars: Du hast ja auch einen gewissen Punk-Background und gerade da scheint ja mitunter ein etwas antiquiertes Geschlechter- und Rollenbild verbreitet zu sein. Auf der anderen
Seite gibt sich Punk ja immer als so subversiv. Wie denkst du ist dieser Widerspruch zu erklären?

F: Ich wurde das das letztens schonmal gefragt. Dann habe ich drüber nachgedacht und dachte, dass es im Punk auch nicht schlechter ist als im Rest der Gesellschaft. Aber gut,
eigentlich haben ja viele den Anspruch dass es besser sein sollte. Und da denke ich ist es so wie woanders auch: Es gibt ganz viele coole und achtsame und queere Punks und
solidarische nicht-queere Punks und es gibt eben auch Leute die sich noch gar nicht damit auseinander gesetzt haben und die
sich auch oft blöd verhalten und so. Und ich glaube Punk heißt für viele auch einfach was anderes und viele verbinden damit was unterschiedliches und haben gar nicht so den
politischen Anspruch oder so, könnte ich mir vorstellen. Also für viele ist das eben gar kein Widerspruch, wenn es ihnen eben vorrangig um Musik und Saufen geht, und andere verbinden damit eben was Politisches und Fragen wie „Wie wollen wir miteinander Leben und umgehen“ und so. Und das war natürlich auch für mich immer ein wichtiges Ding von
Punk und der Punkkultur.

Lars: Jetzt hat es dich zum HipHop gezogen – wie kam das?

F: Auf der letzten Platte waren ja auch schon zwei oder drei HipHop-Songs aber eben mit Gitarre eingespielt – einer zum Beispiel mit Lena Störfaktor zusammen – und das ist
auch gar nich so ein Wechsel. Also ich spiel auch weiter so Singer/Songwriter und ich werde auch wieder so ein Album machen. HipHop ist eher sowas, was ich jetzt zusätzlich
mache, und das kam einfach weil sich so Rapper*innen kennengelernt habe die mich total beeindruckt haben, wie z.B. Sookee oder Lena Stoerfktor und das hat mich total
angesprochen – diese tanzbaren Beats und schönen Reime und coolen Texte und dann
hatte ich Bock dazu.

Lars: Ich persönlich finde ja, dass dir das auch besser liegt

F: Mir macht beides Spaß. Ich kann gar nicht sagen, was mir mehr Spaß macht. Weil ich einfach beides total gerne mach.

Lars: Vom Punk zum HipHop – gerade beim HipHop ist das ja noch viel krasser und polarisierender – also auf der einen Seite gibt es den ultra-sexistischen HipHop auf der anderen
Seite eben Zeckenrap. Wie findest du da dein Selbstverständnis im HipHop?

F: Also so tief in der HipHopKultur bin ich ja gar nich drin und auch nie drin gewesen, weil ich ja aus der Punkszene komm. Zum HipHop kam ich eben
eher über feministische Rapper*innen und Zeckenrap. Das war dann eher so die Szene in der ich mich bewege und die ich mag. Und da finde ich es wichtig queere und transThemen
rein zu bringen, weil ich finde dass die noch sehr wenig repräsentiert ist. Eben grade transweibliche, aber auch generell trans-Themen, sind natürlich auch gesamtgesellschaftlich
unterrepräsentiert. Aber eben auch in Zeckenrap-Sachen. Da finde ich es eben wichtig, dass das mehr Leute erreicht. Und ich finde es wichtig, dass ich als TransFrau
selbstbewusst auf der Bühne stehe und vielleicht ein anderes Bild von Transweiblichkeit zeige als das was im Fernsehen so als Exotisches oder Lächerliches zu sehen ist.

Lars: Eine etwas persönliche Frage noch: Du hattest ja nach der ersten Platte dein öffentliches Coming-Out. Und – für meine Wahrnehmung – kurz danach bist du nach
Berlin gezogen. Gab es da einen Zusammenhang? War in Berlin das Leben einfacher oder der Pott zu anstrengend?

F: Ja, das war auf jeden Fall ein wichtiger Grund für mich nach Berlin zu ziehen, weil ich einfach mehr mit Trans-Menschen in meinem Alter zu tun haben wollte. Und in Berlin gibt es
einfach eine größere Trans-Community. und da fühle ich mich jetzt auch total wohl und habe einige sehr nette Leute kennengelernt.

Lars: Du arbeitest gerade an einem Buch oder bist schon fertig damit – magst du dazu noch was erzählen?

F: Sehr gerne! Das Buch ist grade fertig und wird lektoriert und es heißt „Support your Sisters – not your Cisters“. Es handelt auch von Diskriminierung gegen Transfrauen. So ein
bisschen ist das auch aus meinen Vorträgen entstanden, die ich zu dem Thema gemacht hatte und im Buch hatte ich nochmal mehr Gelegenheit mehr persönliche Beispiele zu erzählen
und auch Beispiele die mir so in der Szene begegnet sind, also auch in der feministischen Szene. Wie auf unterschiedliche Weise Transfrauen ausgeschlossen werden
– sowohl ganz offensichtlich, wenn eine Gruppe zum Beispiel sagt: „Unser Frauenraum ist nicht offen für Tansfrauen“, aber auch subtiler wie wir behandelt werden. Und das kommt im Verlag Edition Assemblage im Dezember.

Lars: Möchtest du abschließend noch unseren Leser*innen einen Begriff, den wir jetzt die ganze Zeit benutzt haben erklären? Und zwar dieses „Cis“?

F: Ja, ich finde das ist ein wichtiger Begriff. Ich würde das einfach als das Gegenteil von Trans erklären. Also es gibt Transgender und Cisgender. Und das ist sehr wichtig so
einen Begriff zu haben, so ein Gegenteil, weil viele sagen „Ihr seid Transmenschen, wir sind normal“, oder „du bist eine Transfrau, ich bin eine Biofrau“ oder eine „klassische
Frau“ oder „normale Frau“, und das finde ich halt total scheiße: Und deswegen ist es wichtig so einen Gegenteilbegriff zu haben dass alle „normal“ sind.

Lars: Vielen Dank. Hast du denn noch irgendwelche letzen Worte für dieses Interview?

F: Sehr gerne. Also erstmal hab ich mich total über dieses Interview gefreut und dein Interesse und deine Fragen – gerade von der Plasticbomb. Das war tatsächlich lange eine
sehr wichtige Zeitung für mich, die ich regelmässig gelesen habe. Da habe ich mich sehr geehrt gefühlt für ein Interview gefragt zu werden. Und auch allen Leser*innen vielen
Dank fürs interessierte Lesen.

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